Abenteuerurlaub in der Cordillera Blanca


2018 – Hochtouren

Abenteuerurlaub in der Cordillera Blanca

Jeder Bergsteiger hat ja so seine Traumberge. Bei mir war das schon seit langem der Alpamayo (5947m) in der Cordillera Blanca in Peru. Hat man diesen Berg einmal gesehen, will man dahin und hoch. Ein weiteres Argument für eine Bergtour in die peruanischen Anden ist, dass man in überschaubaren gut drei Wochen zwei oder drei hohe Berge besteigen kann/könnte.
In diesem Jahr wollte ich dann aus dem Wunsch Wirklichkeit werden lassen und habe mich dann im letzten Herbst bei diversen Veranstaltern, die eine solche Tour im Programm haben – und das sind eigentlich alle namhaften – erkundigt bzw. vormerken lassen. Eine Voraussetzung für mich war, dass ein Führer / Reiseleiter von hier vor Ort dabei ist. Dies ist bei den namhaften Anbietern eigentlich der Fall, wenn eine Mindestteilnehmerzahl erreicht wird, die idR. bei 6-7 Personen liegt. Die folgenden Monate stellte sich dann heraus, dass für diese Veranstaltung und auch für andere alternative Touren (z.B. Spantik) die Nachfrage insgesamt eher gering und damit zweifelhaft ist, ob die Veranstaltung stattfindet. Bei dem von mir favorisierten Anbieter „Alpinewelten" aus Garmisch war das nicht anders. Dort wurde mir allerdings gesagt, dass die Tour ab 4 TN stattfindet und auch bei dieser TN-Zahl ein Bergführer aus Deutschland dabei ist. Erst im Mai, nachdem diverse Veranstalter incl. Summit-Club die Tour mangels TN gecancelt hatten, war dann klar, dass bei Alpinewelten tatsächlich 4 TN, Sandra, Alex, Moritz und ich, gebucht hatten. Diese vier sowie unser Bergführer Marcel trafen sich dann am 29.6. in München am Check-In von Delta-Airlines. Das Abenteuer konnte also beginnen.
Über Atlanta ging es nach Lima, wo wir erst deutlich nach Mitternacht Ortszeit im Hotel ankamen. Nach wenigen Stunden Schlaf und einem schnellen Frühstück ging es gleich weiter zum Busterminal von Cruz-del-Sur und mit einem Luxusbus nahmen wir die 8-stündige Fahrt nach Huaraz in Angriff. Gut eine Stunde geht es durch die Stadt und deren ausufernde, slumartigen Vororte. Nach etwa 200 km Fahrt über die Panamericana geht es dann in das Tal des Rio Fortaleza und über den Conococha-Pass (4100m) nach Huaraz (3100m). In dem dortigen Hotel Churup konnten wir es uns nach den Reisestrapazen erst mal bequem machen und etwas erholen. Ausschlafen war ganz wichtig!
Die nächsten zwei Tage verbrachten wir dann bei Eingeh- und Akklimatisierungstouren in der Umgebung von Huaraz. Sehr schön war die Wanderung zur Laguna Churup (4450m), einem türkisfarbenen See unterhalb des vergletscherten Nevado Churup (5500m).
Am Abend des zweiten Tages fand dann das Briefing für unsere Alpamayo-Expedition durch den Leiter der örtlichen Agentur und unseren lokalen Bergführer Edgar statt. Zu unserer Überraschung war die eigentlich ausgewählte Ferrari – Route, die in der Saison eigentlich in den steilen Passagen um 50⁰ mit Fixseilen ausgerüstet sein sollte, wegen Lawinengefahr zu gefährlich und nicht begehbar. Einzige gangbare Route war die Franzosenroute (D+/70-80⁰), die im Alpinstil begangen werden sollte/musste. Solche Schwierigkeiten hatten mit Ausnahme von Alex noch keiner von uns gemacht. Außerdem hatte es wohl einige Wochen vorher einen schweren Unfall (Lawine) an dem Berg gegeben, bei dem es drei Tote gab. Wir waren einigermaßen ernüchtert und darauf eingestellt, dass unser Weg letztlich im High-Camp des Alpamayo (5400m) enden würde.
Am nächsten Morgen um 8:30 Uhr ging es dann trotzdem frohen Mutes im Kleinbus mit unseren 4 örtlichen Unterstützern Richtung Cashapampa, dem Ausgangspunkt für den Alpamayo. Hier wurde das Gepäck auf Esel verladen. Diese fleißigen Helferlein laufen die ersten zwei Tage bis zum Base-Camp auf 4200m mit und erleichtern den Aufstieg erheblich. Leider hatte sich Alex schon gleich einen Magen-/Darminfekt eingefangen und mußte den Aufstieg zum Camp I abbrechen. Am Nachmittag kamen wir dann nach ca. 5 Stunden Wanderung im Camp Llamacorral auf 3700m in schöner Lage in einem Hochtal an. Die Gewöhnung an das Lagerleben wurde uns durch unsere Supporter leicht gemacht. Nachdem die Zelte standen gab es schon gleich einen Nachmittagssnack (frisches Popcorn) mit Kaffee/Tee in unserem „Speisezelt". Diesen Komfort kann man nur bis ins Base-Camp genießen. Trotz dieses Speisezeltes war es nach Sonnenuntergang um ca. 18:30 gleich kalt (um die 0⁰), so dass nach dem Abendessen ziemlich direkt die Zelte incl. warmem Schlafsack aufgesucht wurden.
Am folgenden Morgen war alles mit einer dicken Schicht Rauhreif überzogen. Nach dem Frühstück kam dann aber die Sonne ins Camp und alles konnte schnell trocknen. Weiter ging es dann durch das schöne Santa-Cruz-Tal mit Lagune, großem See und viel Vegetation Richtung Base-Camp. Zum Schluß dieser Etappe, die etwa 6 Stunden in Anspruch nahm, kommt ein steilerer Aufstieg in üppiger Vegetation bis in den Talschluß direkt unter dem Alpamayo. Das Camp selbst liegt auf einer schönen Wiese, umgeben von Bäumen und Blumen auf etwa 4200m. Etwas oberhalb kann noch der Gletschersee Laguna Aruhaycocha besucht werden (4380m), was wir natürlich auch noch gemacht haben.
Am nächsten Morgen haben wir ausgeschlafen und, erst als die Sonne das Camp erwärmt hat, gefrühstückt. Danach kam dann die Gepäckfrage. Ab dem Basecamp trägt jeder seine persönlichen Sachen selbst. Allgemeines Gepäck (Zelte, Essen, Brennstoff etc.) tragen unsere vier Helfer. Nach einigem Hin und Her waren die Rucksäcke gepackt (ca. 18 kg) und der Weg zum ersten Hochlager, auch Moränenlager genannt, konnte beginnen. Ca. vier Stunden dauert der Anstieg bis auf ca. 5000m und gibt schon mal einen Vorgeschmack auf die nächsten zwei Tage in großer Höhe. Da es nach Sonnenuntergang sofort unter 0⁰ war, gab es schon ca. 17:30 Abendessen auf recht bequemen Steinbänken im Freien. Die dicke Daunenjacke kam hier erstmals zum Einsatz. Ich hatte, wohl aufgrund zu geringer Flüssigkeitszufuhr, nicht meinen besten Tag. Als ich im Schlafsack lag war mein Puls bei 110 – 120 sehr hoch und an Schlafen war zunächst nicht zu denken. Ich habe dann im Zelt noch reichlich getrunken, was dann allerdings zu einigen nächtlichen Ausflügen in die nähere Umgebung des Camps führte. Am Morgen ging es mir trotz des Schlafmangels dann aber recht gut und ich konnte die Etappe zum High-Camp auf 5400m über den Gletscher mit den Anderen in Angriff nehmen.
Auf dieser Etappe geht es dann auch bergsteigerisch zur Sache. Über zwei Steilstufen des Gletschers, welche wir an Fixseilen gesichert überkletterten, mußte noch eine große Spalte/Bergschrund überwunden werden, bis das High-Camp erreicht war. Dieser wunderschöne Platz zwischen dem Alpamayo und dem über 6000m hohen Quitaraju wird nicht umsonst als der schönste Zeltplatz der Welt bezeichnet. Der Blick auf die SW-Wand des Alpamayo und die angedachte Aufstiegsroute war schön und eindrucksvoll, trug aber nicht gerade zur Beruhigung bei. In der Draufsicht ist die Route senkrecht. Nach Auflösung der nachmittäglichen Quellwolken bekamen wir noch den ersehnten Sonnenuntergang, der die umliegenden Berge und vor allem unser Ziel in schönsten Farben erstrahlen ließ. Nach dem Abendessen ging es dann sofort in den Schlafsack, da bereits für 23:00 Uhr das „Frühstück" angesetzt war. Unser peruanische Bergführer Edgar legte großen Wert auf frühen Aufbruch.
Nach dem Aufstehen und anrödeln stellte sich heraus, dass Marcel an dem Tag nicht leistungsfähig war. Moritz hatte bereits am Vortag auf den Gipfel verzichtet und Sandra wolle ohne Marcel ebenfalls nicht einsteigen. So blieben Edgar und ich als Gipfelmannschaft übrig.
In der stockfinsteren Nacht (wir hatten leider Neumond) im Schein der Stirnlampen, aber unter einem tollen Sternenhimmel, ging es zuerst leicht hinab ein in eine Gletschermulde und dann den Lawinenkegel hinauf zum Bergschrund. Dieser war leicht überschritten und dann kamen die ersten, mit ca. 55⁰ noch moderaten Seillängen. Nach einem weiteren kleinen Bergschrund ging es dann in die entscheidenden 6 SL. Edgar kletterte vor, jede Seillänge mit zwei Zwischensicherungen. Danach war ich an der Reihe. Die Pickel über Kopf eingeschlagen konnte ich die Frontalzacken der Steigeisen überwiegend in kleine Mulden des hart gefrorenen Firns setzen und dann mit Zug an den Armen Stück für Stück aufwärts steigen. An jeder Zwischensicherung war ich froh über eine kleine Pause und bei Edgar angekommen war ich nach jeder Seillänge komplett am Ende. Nach Tausch des Materials hatte ich dann beim Sichern etwa 20 Min. zur Erholung für die nächste SL, was immer wieder knapp ausreichte, um nicht das Handtuch zu werfen.
Direkt unter der Gipfelkalotte, es war schon dämmerig geworden, war der Weiterweg gerade hoch aus unserer Sicht sehr unangenehm. Viel blaues Wassereis und eine sehr steile 10m-Passage verstellte uns den Weg. Rechts führte eine etwas weniger geneigte und firnigere, enge Rinne zum Grat hinauf. Diese nahm Edgar in Angriff. Dieser Teil war wie eine steile Verschneidung zu klettern. Die Steigeisen außen auf den Rippen und die Pickel in Löcher des Eises gesetzt ging es diesen Teil schnaufend in die Höhe. Die letzten Meter am anfangs sehr schmalen Gipfelgrat, schon in der Sonne, waren dann ein Genuß. Freudestrahlend beglückwünschten wir uns zum Erfolg. Eine nachfolgende Seilschaft bekam dann noch ein Sicherungsseil von Edgar zugeworfen, um diese letzte Passage risikolos begehen zu können. Die Aussicht war an diesem Tag überwältigend. Die umliegenden 5- und 6-Tausender incl. dem Huascaran präsentierten sich in der klaren Morgenluft.
Nach der Fotosession ging es dann ans Abseilen. Die Rinne war komplett mit Abalakov-Schlingen ausgerüstet, so dass das Abseilen über jeweils 50-55m ohne Probleme von statten ging. So waren wir dann ca. 2 Std. später bereits wieder am Bergschrund. Erst bei dem ca. 50 Hm hohen Gegenanstieg aus der Gletschermulde zum Camp stellte ich fest, dass ich nach den ca. 7 Stunden am Berg ziemlich platt war. Ich mußte Edgar mehrmals um Verschnaufpause bitten. Im Camp wurden wir durch die unsere Teammitglieder freudig begrüßt und beglückwünscht.
Leider hatte sich im Camp in unserer Abwesenheit ein Spaltensturz ereignet. Ein Mann aus dem Allgäu, der mit zwei Kameraden ins Camp gekommen war, war beim Versuch der Rettung einer talwärts rollenden Thermosflasche ausgerutscht und ca. 30m tief in eine Gletscherspalte gefallen. Die Rettung war durch Marcel und einen peruanischen Guide durchgeführt worden und Moritz, der Arzt ist, hatte die Erstversorgung übernommen. Im Nachhinein erfuhren wir, dass die Verletzungen nicht gravierend waren und der Gestürzte komplett wiederhergestellt werden konnte. Er hatte enormes Glück. Ohne die Möglichkeit, einen Hubschrauber anzufordern, dauert es ca. 60 Stunden, bis ein verunglückter Bergsteiger im Krankenhaus in Huaraz ist.
Aufgrund der engen Zeitplanung war es nötig, dass wir gleich ins Basecamp weiter absteigen mußten. Das hieß nochmals weitere ca. 6 Stunden Abstieg. Ca. 17:00 Uhr kamen wir komplett erledigt dort an. Wir wurden sofort gut versorgt und konnten uns in der Nacht einigermaßen erholen. Am folgenden Tag ging es dann die ca. 25 km und 1300 Hm runter nach Cashapampa. Auch dieser Tag mit fast 8 Stunden laufen, zum Teil bei großer Hitze, war nicht wirklich unanstrengend. Dann noch 3 Stunden im Kleinbus und endlich die Dusche sowie ein richtiges Abendessen am Tisch mit Stühlen. Geil! Und dann ein Bett!
Die nächsten 3 Tage dienten der Erholung. Einen Tag verbrachte ich mehr oder weniger im Zimmer und Bett mit Essen, Trinken und Schlafen. Natürlich war auch ein längeres WhatsApp-Telefonat nach Hause angesagt. Am nächsten Tag haben wir dann noch Bergrettungsübungen (Spaltenbergung) gemacht und Notfallausrüstung getestet. Weiterhin war noch Zeit für einen Besuch in einem Thermalbad mit heißen Grotten. Für die Muskulatur war es sicher gut. Es war auch noch etwas Zeit für weiteres Sightseeing in der 100-Tausend-Einwohnerstadt Huaraz. Insbesondere die lebhaften Märkte sind sehenswert. Da die Stadt 1970 bei einem Erdbeben nahezu vollständig zerstört wurde, gibt es kaum Bauwerke aus der Zeit vor dem Beben. Überwiegend wirken die Gebäude nicht fertiggestellt oder bereits wieder im Abbruch befindlich. Lediglich im engsten Stadtkern gibt es einige schönere Gebäude.
Am 4. Tag begann am Morgen bereits die Huascaran-Expedition. Nach den Auskünften hatten wir wieder ein gutes Wetterfenster und die Route durch den Gletscherbruch (genannt"La Canaleta) sollte einigermaßen sicher begehbar sein. Mit dem Kleinbus ging es in etwa 2,5 Stunden nach Musho am Fuße des Huascaran. Nach Verladen des Gepäcks ging es weiter ca. 4 Stunden zum Basecamp, dass sehr schön und aussichtsreich auf einer Grasterrasse am Fuße von Felswänden gelegen ist. Am nächsten Tag hatten wir nur eine kurze Etappe zum sogenannten Moränencamp (4900m). Dieses liegt in ziemlicher Nähe der Don-Bosco-Hütte. Diese Hütte ist bewartet und man kann dort übernachten und essen. Jedoch macht das offenbar kaum jemand. Die Bersteiger kommen notwendigerweise alle mit Zelten und dem notwendigen weiteren Equipment, so dass ein Einkehren in der Hütte nicht erforderlich ist. Der Hüttenwart, ein Ami aus Oregon, war allerdings sehr gesprächig und versorgte uns mit vielen Informationen. Sein Job war wohl sonst ziemlich langweilig.
Am nächsten Tag hatten wir 3 Stunden Aufstieg über Gletscherschliffplatten und den flacheren Teil des Gletschers bis zum Camp 2 zu bewältigen, welches auf ca. 5300 m errichtet wurde. Von hier hatten wir einen schönen Blick auf „La Canaleta". In den Alpen wäre das vergleichbar mit der Cosmiques-Route am Mt. Blanc, wo ebenfalls an mehreren Stellen Seracs über der Route hängen. Edgar empfahl, den Durchstieg in der Nacht anzugehen. So wurde das Frühstück für 3:00 Uhr angesetzt. Nach dem Wecken hieß es dann zusammenpacken und anrödeln. Auf dieser Höhe ist man schon nach diesen Tätigkeiten, die ca. 30 Min. in Anspruch nehmen, das erste Mal komplett am Ende. Im Schein der Stirnlampen ging es dann ohne viel von der Umgebung zu sehen (vielleicht auch besser so) dem HighCamp entgegen, welches auf ca. 5900m auf einer Gletscherterrasse liegt. Da das Camp auf der Westseite liegt, dauert es allerdings bis zum späten Vormittag, bis die Sonne es hinter dem Berg soweit hinaufgeschafft hat, dass ihre Wärme Wirkung zeigen kann. So mußten wir nach der Ankunft zunächst noch die dicken Klamotten anlassen, um nicht zu frieren. Zum Glück war es windstill.
Dort im Camp gab es dann Probleme mit dem Gaskocher. Die Gasflasche war wohl nicht ganz voll und gab einfach nicht genug Power, um für 9 Personen ausreichend Wasser zu bereiten. Ein zusätzlicher Benzinkocher hatte wohl etwas Verstopfung und entsprechend ebenfalls wenig Leistung. Zum Glück wurde durch die permanenten Bemühungen unserer Mannschaft das Problem bis zum späten Abend doch noch beseitigt und jeder bekam ausreichend Flüssigkeit.
Die kommende Nacht vor dem Gipfeltag war dann wieder kurz und so waren wir um 23:30 Uhr beim „Frühstück". Dieses fiel kurz aus und dann ging es in die stockfinstere Nacht hinaus. Vorbei an riesigen Spalten ging es zunächst in den großen Sattel zwischen Nord- und Südgipfel. Von dort ging es steil in die Flanke des Huascaran Sur. Der Untergrund war firnig und daher gut zu gehen/klettern. Die Höhe machte allen von Anfang an zu schaffen. Nach etwa 3,5 Stunden standen wir vor einer etwa 6m hohen Steilstufe, die nur kletternd überwunden werden konnte. Felskletterer würden etwa den Schwierigkeitsgrad 5 vergeben. An einem durch Edgar verlegten Fixseil gesichert ging es diese Stufe hoch. Oben angekommen mußten wir jedoch feststellen, dass der Weiterweg durch eine ca. 10m breite Spalte versperrt war. Somit mußten wir die gewonnenen Höhenmeter mittels Abseilen wieder preisgeben, um dann eine andere Variante zu probieren, die sich dann als korrekt herausstellte.
Bei Tagesanbruch und nach ca. 7 Stunden Arbeit am Berg hatten wir eine Höhe von ca. 6400 m erreicht. Es war klar, dass wir im Abstieg aufgrund der Steilheit mindestens 3 volle Seillängen würden Abseilen müssen, um in den Sattel zu gelangen. Der weitere Aufstieg, soweit von dort sichtbar, war ebenfalls noch steil. Edgar meinte zwar, dass es bald flacher wird und dann nur noch „Dahinlaufen" gefragt sei, aber Marcel als unser Chef entschied, aufgrund der schon verstrichenen Zeit hier abzubrechen. Wir hatten noch ca. 350 Höhenmeter vor uns. Das mag sich für alpine Verhältnisse wenig anhören. In dieser Höhe, nach einer weitgehend schlaflosen Nacht und 7 Stunden Bergsteigen muß man hier von 3 weiteren Stunden Aufstieg ausgehen. Wenn ich von mir ausgehe, der nach dem Alpamayo hinsichtlich Regeneration bei vielleicht 80% der Leistungsfähigkeit wieder angekommen war, würde ich sagen, dass ich noch 1 oder 1,5 Stunden im Aufstieg hätte weitermachen können. Für den Gipfel hätte das jedoch nicht gereicht. Sandra und Alex waren sicher auch nicht großartig besser drauf. Insofern muß die Entscheidung auch nach den Tagen und Wochen, die seither vergangen sind, als richtig und vernünftig eingestuft werden. Edgar war zwar etwas unzufrieden, aber ein Guide ist halt auch nur so schnell wie seine Gäste. Er haderte natürlich auch mit seinem Verhauer, der uns sicher 1,5 Stunden und einige Körner gekostet hatte. Von Sandra, Alex und mir kam kein größerer Widerspruch.
Am Huascaran hatten wir ja einen Tag mehr Zeit, so dass wir „eigentlich" eine weitere Nacht im HighCamp hätten verbringen können, um uns zu erholen. Wir hatten uns nach unserer Rückkehr in die Zelte verkrochen und ein wenig zu schlafen versucht. Jedoch kam gegen Mittag stärkerer Wind auf, der die Zeltplanen ordentlich zum flattern brachte. Auch trieben vermehrt Wolken in größerer Geschwindigkeit über die beiden Gipfel. Der Vorschlag, noch am Nachmittag durch die Canaleta bis zum Moränencamp abzusteigen, wurde von allen akzeptiert. Nach dem wiederum sehr anstrengenden einpacken und wieder anrödeln ging es dann ca. 13:00 Uhr abwärts. Die Sonne stand mittlerweile ja hoch am Himmel und alle hatten zu wenig ausgezogen. So war der Durchgang durch die Canaleta eine Qual. Angesichts der drohenden Seracs war auch eine schnelle Gehweise ohne Pausen angezeigt, was auch jeder einsah. Als wir aus der Gefahrenzone heraus waren wurde dann die lang ersehnte „Anzugserleichterung" vorgenommen. Die letzten 400 Hm gingen dann trotz zunehmender Erschöpfung und schwerem Rucksack gut und sicher von statten.
Nach einer Nacht im Moränencamp und einer weiteren Nacht im Basecamp mit allem Comfort (Essen am Tisch, Tellergericht mit Chicken und Wackelpudding zum Nachtisch) ging es dann nach einem tollen Sonnenuntergang zum letzten Mal in den Schlafsack. Trotz der „niedrigen" Höhe von nur 4.150m hatte mein Kopf mit der Verarbeitung des Erlebten zu tun und ich habe nicht besonders gut geschlafen. Ein Bierchen am Abend wäre sicher gut gewesen.
Am Folgetag beim Abstieg nach Musho zeigte sich der Huascaran von seiner ungemütlichen Seite. Über dem Gipfel lag eine Wolkenwalze, die sich in großer Geschwindigkeit über den Berg schob und auf unserer Seite nach Sturz in die Wand auflöste. Es war wie eine Föhnwalze in Hochgeschwindig¬keit. Bei solchen Verhältnissen will niemand im HighCamp oder noch höher am Berg sein.
In Huaraz hatten wir dann noch eine Nacht im Hotel. Der Abschluß wurde in einem guten Restaurant bei Steak und tollem Craft-Bier (eine Sorte hieß „Alpamayo", das mußte es natürlich sein) gebührend gefeiert. Am nächsten Morgen ging es dann frisch geduscht und nach einem ausgedehnten Frühstück im Hotel Churup in den „Luxusbus" von Cruz-del-Sur zurück nach Lima. Wir kamen noch voll in die Rush-Hour, sodass wir erst gegen 21:00 Uhr am Busterminal ankamen. Zum Glück hatte unser Fahrer gewartet und er brachte uns dann in unser gutes Hotel im Stadtteil Miraflores. Nach dem sehr guten Frühstück blieb noch Zeit für eine Stadtbesichtigung, aber bereits um 14:00 Uhr wurden wir für den Transfer zum Flughafen abgeholt. In Paris trennten sich dann unsere Wege. Alex, Sandra und Marcel flogen weiter nach München, ich nach Düsseldorf. Dort landete ich um 20:30 Uhr. Meine Frau holte mich ab und wir konnten noch ein Abendessen in einem schönen Biergarten genießen.
Eine sehr anstrengende und abenteuerliche Expeditionsreise war zu Ende. Mit der Besteigung meines Traumberges Alpamayo und der erlebnis-, wenn auch nicht erfolgreichen Expedition zum Huascaran sowie den Eindrücken zu Land und Leuten war ich mit der Reise sehr zufrieden. Die Organisation durch den Veranstalter „Alpinewelten" und die örtliche Agentur „Peru Expeditions" war sehr gut. Auch unsere fachkundigen Bergführer Edgar und Marcel haben ihre Sache sehr gut gemacht. Nicht zu vergessen ist natürlich unsere tüchtige Mannschaft, ohne die eine solche Tour in der Zeit von nur ca. 3 Wochen incl. Hin- und Rückflug absolut nicht möglich wäre. Auch die fleißigen Donkeys (Esel) haben ihren Beitrag zum Erfolg, insbesondere auch zum Komfort in den Camps bis zu den Basecamps beigetragen.

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