Haute Route


2012 – Skibergsteigen

Haute Route

Auf den Spuren von Sebastians Sektionssommertouren starteten wir Anfang April nach Chamonix zur Königsetappe Chamonix – Zermatt: die “Haute Route“. Die Sonne scheint, Chamonix mit dem Mont Blanc im Hintergrund, zeigt sich bereits im Frühlingskleid, wir fühlen uns mit unserem Marschgepäck, den Ski am Rucksack und die Schuhe über den Schultern reichlich merkwürdig.

Bei der Planung in den Tagen davor müssen wir einen Dämpfer hinnehmen: bei dem Versuch die ersten Hütten zu reservieren, werden wir abgewiesen oder auf andere als unsere gewünschten Tage, vertröstet. Unser Routenplan gleicht zunehmend einem Flickenteppich, bei dem die Stücke so gar nicht zusammenpassen wollen. Wir planen um und wählen eine ungewöhnliche Streckenführung, die uns von der Cabane du Trient nach La Fouly und nahe dem St. Berhanrd Pass über Italien und am Mt. Gele wieder zurück auf den klassischen „Highway“ zur Cabane du Chanrion zurückführen soll.

Wir starten unsere Tour im Refuge de Lognan auf 2032m und genießen es, uns ein paar Höhenmeter mit der Seilbahn Les Grands Montets bis zur Mittelstation zu ersparen. Hier heißt es das erste Mal „auffellen“ – Die Tour beginnt.

So gar nicht blau und strahlend, wie am Vortag, ist das Wetter am Morgen: es schneit, der Himmel ist bewölkt, die ersten Schritte mit Stirnlampe Richtung Argentieregletscher sind überschattet von den Gedanken, wie sich das Wetter entwickeln wird… Werden wir Zermatt auf unserem geplanten Verlauf erreichen können?

Bereits vor dem Col du Passon (3028m) treffen wir auf die ersten Gruppen, … vorbei ist unser Einsamkeit. Wir haben uns in die Hauptroute eingeklinkt. 2 Cols später überqueren wir bei Sonnenschein den letzten Gletscher des Tages und erreichen mit einem letzten kurzen Anstieg im T-Shirt die Trient-Hütte. Das Panorama ist phantastisch!

Der Gletscher empfängt uns am Morgen mit einer Neuschneeschicht. Als erste spuren wir zum Fenetre de Saleina auf 3261m, hier wollen wir eine Variante wählen und über das Col de Grand Lui direkt nach La Fouly abfahren. Keine Gruppe folgt uns. Der Ausblick aus dem „Fenetre“ bestätigt unsere Vermutung: ein Blick in grauem Nebel versperrt uns den Ausblick. 20 min. setzen wir uns als Zeitfenster: zieht es auf und wir können etwa sehen, fahren wir ab, wenn nicht, Rückzug. Die „first lines“ über den Gletscher zurück trösten uns und wir fahren nach Champex ab. Wir treffen die netten Holländer vom Vorabend wieder, die auch auf dem Abfahrt ins Tal sind. Ein Schnack mit „alten Bekannten“ vor der Kulisse des zerklüfteten Trient-Gletschers. Die Bergwelt erscheint so klein!

Das öffentliche Verkehrsnetz der Schweiz ist bestens! Kaum in Champex, können wir die Weiterreise nach La Fouly antreten. Noch wissen wir nicht, dass wir die Busfahrer und den Bahnhof von Orsiére und das Val Ferret mehr als gut kennenlernen werden… Nach einer kleinen Odysee von vielen Busfahrten, nachdem unsere Reservierung in La Fouly platzte, starten wir am nächsten Morgen Richtung Großer St. Bernhard Pass.
Ungewöhnlich warm und nass empfängt uns das Tal: es nieselt, auch mit zunehmenden Höhenmetern wird die Schneedecke nicht fester … Der Blick auf die steilen Hänge, die wir queren müssen und die frischen Nassschneerutsche zwingen uns zum Rückzug. Der Busfahrer in La Fouly traut seinen Augen nicht, uns schon wieder zu sehen und lädt unsere Ski kopfschüttelt in den Bus ein.

Ein bisschen ernüchtert, verbringen eine weitere Nacht im Tal, diesmal in Bourg St. Pierre. Um nicht nochmal von zu nassem Schnee gebremst zu werden und weil wir damit rechneen, dass die Situation im Süden noch dramatischer sein könnte, planten wir bei Pizza unseren Routenverlauf ein wenig um. Wir wählen den zuvor von uns immer vermiedenen Weg über die Valsorey-Hütte, unter den Tourengehern auch gut bekannt als „Sackgasse“ der Haute Route. Bei schlechten Bedingungen ist von hier aus kein Weiterkommen.

Doch bevor wir uns in den Tross der Haute Routiers wieder einreihen, wollen wir einen „Abstecher“ auf den Mt. Vélan (3700m) unternehmen. Ein sonniger Hüttenaufstieg zur Cabane du Vélan auf 2642m bei sommerlichen Verhältnissen und den Ski auf dem Rücken entschädigen uns für die zwei etwas umständlichen Tage zuvor. Sebastian fühlt sich an Sommerhochtouren erinnert, die Vögel zwitschern, der Bach rauscht im Tal. Am Nachmittag sitzen wir im T-Shirt auf der Terrasse der futuristisch anmutenden Vélan-Hütte, brüten über der Karte für die Bergbesteigung am kommenden Vormittag und erzählen.

Bei guter Sicht und klarem Himmel steigen wir mit Stirnlampen Richtung Mt. Vélan auf. Kletterpassagen mit Steigeisen, Gletscherüberquerungen an großen Spalten vorbei, eine atemberaubende Kulisse – wir sind begeistert! Die Abfahrt ist grandios: bei fluffigem Schnee, direkt über den Valsoreygletscher und durch eine steile Rinne am Eisbruch vorbei haben wir nach 1600 Hm strahlende Augen! Eine gigantische Tour!
… nur der anschließende Aufstieg zur Valsoreyhütte forderte nochmal unser Durchhaltevermögen... neben unseren müden Beinen plagen uns Wind und Nebel. Sollte uns der Wettergott erneut Steine in den Weg legen..?

Die viel zu leisen Packgeräusche zum Aufbruch der anderen im Lager und der vergleichbar viel zu laut pfeifende Sturm vor der Hütte am Morgen bestätigen unsere Vermutungen: Es hat markant abgekühlt, dazu der Wind und keine Sicht! Wir verbringen Ostersonntag mit einigen anderen Bergsteigern auf der Hütte. So hören wir lustige Geschichten von Rudi, der bereits zum dritten Mal auf der Tour „ausgebremst“ wird und den letzten Anlauf vor 40 Jahren mit Lawinenseil anstelle LVS-Ausrüstung unternommen hat. Oder die drei Bergsteiger aus dem Süden Deutschlands, die den Grand Combin besteigen wollen und im Sturm am Nachmittag einen „Situationscheck“ mit Skiern im „white out“ unternehmen… Wo die tschechische Gruppe den Flachmann, den wir etwas neidisch beäugen, hergezaubert hat, bleibt uns verborgen…
Unerwartet reißt der Himmel am Abend auf! Der Ausblick ist wunderbar! „Unser“ Mt. Vélan auf der gegenüberliegenden Talseite zeigt sich von seiner schönsten Seite. Nur in Hüttenschuhen und langen Unterhosen stürmten alle Leute überglücklich vor die Tür.
Doch bereits jetzt wird uns klar: durch den Wettersturz und dem Wind hat sich die Lawinensituation erheblich verschärft, der Weg über das Plateau du Couloir zur Chanrion-Hütte bleibt uns verwehrt… Der Lawinenlagebericht und die Wettervoraussage für die kommenden Tage sid auch nicht besonders gut und so entscheiden uns für die Abfahrt ins Tal am nächsten Morgen.

Wir nehmen uns Rudi als Vorbild: die Haute Route kann auch ein Lebensprojekt werden und vertagen Teil 2 auf irgendwann und entscheiden wir uns, es für dieses Mal es gut sein zu lassen.
Gut zufrieden nach einer tollen Woche, auch wenn wir Zermatt nicht erreicht haben, und erfüllt von den Bergtagen reisen wir ab. … Wir kommen wieder!

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