Der Olavsweg ist ein faszinierender Pilgerweg und besteht aus einem weitläufigen Netz von Wegen und Routen, die durch die atemberaubende Landschaft Skandinaviens führen. Die Hauptroute erstreckt sich über etwa 640 Kilometer von Oslo, der Hauptstadt Norwegens, bis nach Trondheim im Norden des Landes. Der Weg ist benannt nach König Olav II., einem wichtigen Heiligen des Mittelalters, der zur Christianisierung Norwegens beigetragen hat. Wird man auf dem Jakobsweg durch die stilisierte Muschel geleitet, so ist der Olavsweg durch das „Rote Olavskreuz“ gekennzeichnet. Ich bin auf der historischen Route von Oslo über das Dovrefjell nach Trondheim gepilgert, der sogenannte Gudbrandsdalsleden.
Mein Abenteuer auf dem Olavsweg begann in Oslo. Wenn man in Oslo startet, hat man die Wahl zwischen der Ostroute und der Westroute. Beide Wege treffen sich in der Stadt Lillehammer. Egal für welche Variante man sich entscheidet, man folgt ab sofort den roten Olavskreuzen, die als Wegweiser an Bäumen, Straßenlaternen oder auf Steinen angebracht bzw. aufgedruckt sind.
Auf dem Olavsweg von Oslo nach Trondheim entdeckt man sehr unterschiedliche Landschaften: Sie reichen von langgezogenen Feldern und dichten Märchenwäldern über beeindruckende Täler mit türkisfarbenen Flüssen bis zur einsamen Weite auf der Hochebene des Dovrefjells und eines ebenso verlassen wirkenden Hochmoors. Der Weg führt entlang malerischer Wälder, kristallklarer Flüsse und über sanfte Hügel. Vorbei an charmanten norwegischen Dörfern, in denen man die lokale Kultur und Gastfreundschaft erleben kann. Es ist beeindruckend zu sehen, wie die Traditionen und Lebensweise der Menschen entlang des Weges die Jahrhunderte überdauert haben.
Die Ausblicke, die zum Beispiel das Gudbrandsdal hinter Lillehammer bereit hält, sind atemberaubend. Von hohen Felsvorsprüngen blickt man auf den türkisfarbenen Lågen, den Fluss der sich durch das Tal zieht und mich auf etwa 300 Kilometer begleitete. Auf und ab geht es durch das größte Tal Norwegens, bis man in Dovre auf das gleichnamige Fjell aufsteigt; das norwegische Hochgebirge. Es ist einmalig, wenn man die Baumgrenze hinter sich zurücklässt und ein riesiges Bergplateau erreicht. Vor einem breitet sich eine meilenweite Hochebene aus – Moose, Flechten, Zwergsträucher und Steine überziehen den Boden.
Meine Tour begann allerdings gleich mit einem Fehlstart, da ich den Startstein in Oslo nicht gefunden habe. Auch bei der Frage nach dem Stein konnten mir nicht einmal die Einheimischen einen Hinweis geben. Da war mein erster Gedanke natürlich – das fängt ja gut an. Meine erste Übernachtung hatte ich dann oberhalb der Stadt Oslo in dem Heim für Wanderer, dem Haroldsheim.
Insgesamt habe ich den Weg in 25 Etappen, mit jeweils rund 28 Kilometer pro Etappe absolviert und bin in Trondheim angekommen.
Unterkünfte habe ich nicht vorgebucht. Das war auch nicht nötig, da ich vor der eigentlichen Pilgersaison, die erst zu Mittsommer startet, unterwegs war. Zudem ist der Olavsweg noch einer der unbekannteren Pilgerwege. Die Unterkünfte waren – manchmal auf Campingplätzen – zumeist sehr spartanisch z. B. kleine Holzhütten mit nur wenigen Schlafplätzen. Die Übernachtung haben rund 400 norwegische Kronen – etwa 30 Euro – gekostet. In den Hütten gab es auch die Möglichkeit, sich kleine Mahlzeiten zuzubereiten oder Tee zu kochen.
Die Tour, habe ich weitgehend in großer Einsamkeit erlebt. Unterwegs sind mir kaum andere Pilger begegnet. Darauf war ich allerdings auch eingestellt. In besonderer Erinnerung wird mir bleiben, dass es zu dieser Jahreszeit im hohen Norden nicht dunkel wird. Nur zwischen drei und fünf Uhr setzt eine leichte Dämmerung ein.
Inspiriert diese Pilgerreise in Norwegen zu unternehmem hat mich der Journalist Franz Alt. Mit dem Buch „Aufbruch zur Achtsamkeit – Wie Pilgern unser Leben verändert“ gaben die Autoren Bernd Lohse, Helfried Weyer und zuvor genannter Franz Alt die Initialzündung für mich, den Weg zu gehen. Meine Frau Anne ist vor gut 10 Jahren auf dem Jakobsweg die klassische Route von Saint Pie de Port nach Santiago de Compostela gepilgert, sie war somit Antriebsfeder und Unterstützerin dieses Vorhabens.
Mein erster Pilger-Reiseführer „Olavsweg - Pilgern in Norwegen“ Verlag Tecklenborg beschreibt den Ostweg. Da ich mich auch für die Westvariante interessierte habe ich viel im Netz recherchiert. Meine Entscheidung über den Ostweg zu starten blieb davon unbeeinflusst. Allerdings besorgte ich mir auch für den Westweg einen Pilgerführer „Olavsweg – Von Oslo über Mjosasee und Dovrefjell nach Trondheim“ Verlag Rother. Mit diesem Wander- und Pilgerführer standen mir dann auch die GPS-Daten für die Strecke zur Verfügung.
Text: Jochen Tenholts