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Zwei erlebnisreiche Wochen

Unterwegs in den Zillertaler Alpen

11.04.2024

Dies war mein erster Sommer nach der Beendigung meines aktiven Berufslebens. Die Gelegenheit war also günstig, die Outdooraktivitäten auszudehnen. Bereits in 2021 hatte ich eine Tourenwoche in den Zillertaler Alpen ausgeschrieben und aufgrund der großen Zahl an Anmeldungen entstand schnell die Idee, zwei Wochen zusammenhängend mit jeweils einer Gruppe verschiedene Teile der schönen Zillertaler Berge zu ersteigen. 

Am 13. August 2022 ging es morgens um 4:00 Uhr los und nach etwas Wartezeit am vollen Parkplatz waren wir ca. 15:00 Uhr am Schlegeisspeicher im hinteren Zillertal. In gut zwei Stunden ging es  hinauf zum Friesenberghaus. Die Gruppe (Uli, Felix, Marie, Daniel, Saskia und Simon) war am Abend auf der Hütte versammelt und zur Einstimmung gab es handgemachte Rockmusik, teilweise unter Beteiligung des Hüttenteams und ordentliches Hüttenessen. 

Am nächsten Tag stand bei herrlichem Wetter der Hohe Riffler 3.228 m auf dem Programm. Ich hatte von zu Hause den wenig begangenen Ostgrat ausgesucht. Da es keinerlei Beschreibung zu dieser Tour gibt, habe ich den Hüttenwirt des Friesenberghauses befragt. Dieser riet mir ab. Es sei brüchig und würde nicht mehr begangen. In Absprache mit der Gruppe haben wir uns dann doch entschieden, die Tour zu versuchen. Das Ergebnis war eine sehr schöne, einsame Bergtour mit ganz wenigen Kletterstellen im 1-2. Schwierigkeitsgrad und ansonsten sehr viel Gehgelände in gutem Blockwerk bzw. Schutt. Nach langer Gipfelrast bei toller Aussicht ging es über den Normalweg (Südgrat) zurück zur Hütte. Jetzt gibt es auf alpenveraktiv.com eine Beschreibung.

Am Montag stand der kurze Übergang zur Olpererhütte an. Von dort machten wir noch eine Exkursion zum Riepenkees. Durch den Rückgang des Gletschers in den letzten Jahren kann man den Gletscher erst ganz weit oben kurz vor dem Riepensattel auf etwa 3.000 m betreten. Der Gletscher macht einen sterbenden Eindruck. In der Mitte ist die Zunge unterbrochen, sodass keine durchgehende Zunge mehr vorhanden ist. Aufgrund des etwas unbeständigen Wetters haben wir nicht mehr angeseilt und sind nur am Rand des Gletschers auf dem Eis gelaufen und in eine Eishöhle gestiegen. Interessant waren die Relikte einer durch einen Sturm vom Berg gefegten Skihütte. Heil geblieben waren einige Flaschen Weißbier. 

Von der gastlichen Olpererhütte ging es am nächsten Tag zum Olperer (3.476 m). Nach leichtem Schneefall in der Nacht hatte sich das Wetter wieder gefangen. Allerdings war der Anstieg ab etwa 3.000 m verschneit, was den Anspruch an die Tour deutlich erhöhte. Auch die Schwierigkeiten der Tour mit einer Drahtseilpassage (Klettersteig C/D) und einem ausgesetzten Gipfelgrat, der Seilsicherung erforderte, waren beachtlich und erforderten unseren ganzen Einsatz. So waren wir auch erst nach etwa zehn Stunden ziemlich geschafft wieder auf der Hütte. 

Am Mittwoch wechselten wir zum Zillertaler Hauptkamm und zur Hochfeilerhütte. An diesem Tag war sportliches Trekking angesagt. Auf 17 km waren 1.300 Höhenmeter rauf und 1.000 Höhenmeter runter zu bewältigen. Mittagsrast war am Pfitscherjoch, wo wir auch unsere Eisausrüstung deponierten. Für unser Gipfelziel, dem Hochfeiler, benötigten wir diese wegen der geringen Schneelage allerdings nicht. Um ein paar Kilo erleichtert, erreichten wir so die Hochfeilerhütte am späten Nachmittag. 

Das Wetter hatte sich verschlechtert und für den Donnerstag war ein Frontdurchzug vorausgesagt. Am frühen Morgen starteten wir somit bereits bei leichtem Regen Richtung Hochfeiler, dem mit 3.510 m höchsten Gipfel der Zillertaler Alpen. Nach etwa einer Stunde besserte sich das Wetter und so genossen wir noch die Aussicht in die Dolomiten mit der Marmolata. Auch am Gipfel, den wir nach knapp drei Stunden erreichten, hatten wir noch Sicht Richtung Norden, insbesondere hinab zum Schlegeisspeicher und zum Olperer. Nachdem wir trocken die Hochfeilerhütte erreichten, holte uns der Regen etwa eineinhalb Stunden vor dem Pfitscherjochhaus dann doch ein. Nach weiteren zwei Stunden in heftigem Regen erreichten wir das Pfitscherjochhaus pitschnass. Zum Glück gibt es auf der großen Hütte gute Zimmer mit Trockenmöglichkeiten und sogar eine Sauna, die einige noch nutzten. Ein wenig Luxus nach einem sehr ereignisreichen Bergtag. Da weiterhin schlechtes Wetter angesagt war, beschlossen wir, die Tour am Freitag zu beenden. Nach Abstieg zum Schlegeis ging es für die Gruppe nach Hause oder auch zu weiteren Urlaubszielen in den Süden. 

Ich hatte jetzt einen Tag Pause und nutzte die Gelegenheit, den kleinen Klettersteig an der Staumauer zu begehen (ca. ½ Std.). Ansonsten ließ ich es mir auf der Dominikushütte in unmittelbarer Nähe der Staumauer gutgehen. Neben der Dusche nutzte ich auch den Wäscheservice. 

Am Samstag war es vormittags regnerisch und ich verfolgte bereits auf WhatsApp die Fahrt der neuen Gruppe mit Matthias, Ingrid, Inge, Bernhard, Jens, Thorsten und Udo. Am frühen Nachmittag trudelten diese ein und wir machten uns an den Aufstieg zum Furtschaglhaus (ca. 2 ½ Stunden). Unterwegs lösten sich noch die Schuhe von Ingrid auf, weswegen sie am Montag gleich wieder abgestiegen ist, um sich in Mayrhofen neue Schuhe zuzulegen. Auf der Berliner Hütte sahen wir uns dann wieder. 

Am Sonntag stand dann der Große Möseler (3.480 m, zweithöchster Berg der Zillertaler Alpen) auf dem Programm. Das Wetter hatte sich etwas gebessert uns so starteten wir früh Richtung Berg. Nach einem Stück Wanderweg ging es etwa eine Stunde über plattige Felsen, die der Gletscher hinterlassen hatte, bis wir den weit zurückgewichenen Futschaglkeeserreichten. 

Nach Überwindung des Spaltenlabyrinths liefen wir in felsigem Gelände über einen Blockgrat in leichter Kletterei etwa eineinhalb Stunden weiter aufwärts, bis wir das Gipfeleisfeld erreichten. Dieses war verschneit und gut begehbar. Der Gipfel hatte sich noch in Wolken gehüllt und zeigte sich erst jetzt. Leider waren die kompletten Gipfelfelsen noch mit einer Schicht Raureif überzogen und daher nicht begehbar. Wir kapitulierten somit etwa 30 Höhenmeter unter dem Gipfel vor den eisigen Verhältnissen. Erst gegen Abend mit den letzten Sonnenstrahlen erreichten wir wieder die Hütte. Der Große Möseler blieb also vorerst unbestiegen. Außer uns war an diesem Tag ohnehin niemand am Berg unterwegs gewesen. Auf der Hütte war allerdings reger Betrieb durch die Begeher*innen des Berliner Höhenweges und wir Bergsteiger*innen wurden von den Wander*innen entsprechend bewundert.

Am Montag gingen wir auf der Königsetappe des Berliner Höhenweges über das Schönbichler Horn (3.134 m) zur Berliner Hütte (2.044 m). Auf dieser Strecke war bei wieder besserem Wetter reger Betrieb. Bei etwas Sonne konnten wir eine Gipfelrast genießen und an einem sonnigen Nachmittag durch die schöne Gletscherlandschaft zur Berliner Hütte laufen. 

Die Berliner Hütte ist ein Denkmal und bietet tolle Gasträume in der Pracht des frühen 20. Jahrhunderts und gute Gastlichkeit. Nach einem guten Frühstück ging es für uns am Dienstag weiter zum Schwarzenstein und zur Schwarzensteinhütte in Südtirol. Das Wetter war jetzt richtig schön und so konnten wir den Aufstieg, in dessen Verlauf unterhalb des Gletschers viele Mineralien und Bergkristalle zu finden sind, bei herrlichem Sonnenschein genießen. Der Gletscher zeigte sich noch von seiner schönen Seite. Er war gut begehbar und wir konnten über schmale Eisbrücken durch den immer noch beeindruckenden Gletscherbruch laufen. Über leichte Felsen ging es dann noch zum Gipfel des Schwarzenstein mit eindrucksvoller Aussicht bis zum Großglockner. Nach kurzem Abstieg erreichten wir dann die futuristische Schwarzensteinhütte (3.026m), die von außen an einen schwarzen Felsblock erinnert. Innen ist alles in hellem Holz gestaltet und das komplett weibliche Hüttenteam schaffte eine gemütliche Atmosphäre mit gutem Essen und selbstgemachten Schnäpsen. 

Am Mittwoch stand eine Trekkingetappe über vier Jöcher zur Edelrauthütte auf dem Programm. Bei herrlichem Wetter machte uns die Sonne anfangs etwas zu schaffen. Die Jöcher, bei denen es teilweise steil hoch und wieder runter ging, zogen einiges an Kraft. Als wir gegen 16:00 Uhr am Nevessattel mit der Chemnitzer Hütte ankamen, war klar, dass wir die restlichen drei Stunden bis zur Edelrauthütte nicht mehr schaffen würden. Da auf der Chemnitzer Hütte Platz für uns war, entschieden wir, dort zu bleiben. Für das restliche Tourenprogramm war dies nicht weiter schlimm, da wir ohnehin zwei Nächte auf der Edelrauthütte geplant hatten, was jetzt auf eine Nacht schrumpfte. So genossen wir auf der Chemnitzer Hütte einen schönen Hüttenabend mit sehr gutem Essen und Akkordeonmusik durch den Neffen des Hüttenwirtes. 

Am kommenden Morgen gab es etwas alkoholbedingte Probleme, was uns aber nicht davon abhielt, von der Südseite nochmals den Großen Möseler zu versuchen. Der Aufstieg erfolgte zunächst über eine Moräne, dann über Gletscherschliffplatten und zuletzt über einen steilen Schutthang bis zum Gipfelgrat, der dann noch zu erklettern war. Der Gletscher ist hier bis auf kümmerliche Reste komplett verschwunden. Nach etwa vier Stunden erreichten wir den Gipfel bei schöner Fernsicht. Der Abstieg und Übergang über den Neveser Höhenweg zog sich noch etwas, so dass wir erst gegen 18:00 Uhr die gastliche Edelrauthütte, die kürzlich komplett neu erbaut wurde, erreichten. Hier gab es das mit Abstand beste Frühstück der gesamten Bergwoche. 

Da wir von Südtirol wieder auf die Nordtiroler Seite zurück mussten, sprachen wir am Abend noch mit dem Hüttenwirt. Der kürzeste Weg über des Nevesjoch war aufgrund des starken Gletscherrückganges und der Ausaperung in diesem Jahr nicht möglich. Der Weg über den Pfunderer Höhenweg und die Gliederscharte ist ein langes Trekking mit mehr als zehn Stunden. Ein weiterer guter Weg über die untere Weißzintscharte und den Gliederferner war offiziell gesperrt und laut Hüttenwirt gefährlich. Eine selten begangene Alternative ist der vergletscherte Weg über die obere Weißzintscharte und den Gliederferner zur Hochfeilerhütte, dann zum Pfitscherjoch und zum Schlegeisspeicher. Hier bestand allerdings das Risiko, dass der Gletscherbruch des Gliederferner nicht passierbar sein könnte. Dann hätten wir den Rückweg antreten und eine weitere Nacht auf der Edelrauthütte zubringen müssen. Der Hüttenwirt meinte, wir könnten das schaffen und so sind wir am kommenden Morgen auf diesen Weg gestartet. 

Das Betreten des Weißzintferners unterhalb der Scharte war problemlos möglich. Der Übergang über die Scharte und hinunter zum Gletscherbruch ging auch problemlos, vorbei an großen Spalten. Der erste Versuch der Überwindung des Gletscherbruches über die linke Seite scheiterte aufgrund der riesigen Spalten. Auf der rechten Seite, die wir nach Wiederaufstieg dann versuchten, bot eine Eisrampe, vorbei an riesigen Spalten und Abbrüchen, einen Durchgang. Nach dem Aufstieg über die extrem brüchige Moräne über etwa 100 Höhenmeter kamen wir auf den Weg zur Hochfeilerhütte, die wir am frühen Nachmittag erreichten. Nach ausgiebiger Rast ging es noch auf den langen Weg über das Pfitscherjoch zum Schlegeisspeicher, wo wir etwa um 19:00 Uhr unsere Unterkunft, die Dominikushütte, erreichten. Am Abend wurde gefeiert und einiges an Weißbier ging über den Tresen.

Text: Norbert Siegel