von Matthias Mündelein
Die Haute Route verbindet die beiden bedeutenden Bergsteigerorte Chamonix und Zermatt.
Ausgeschrieben,
und von Sebastian Südbeck detailliert geplant war die komplette Tour
als Sommerroute. Ihm angeschlossen hatten sich 5 hoch motivierte Männer
aus der Generation 50 plus.
Die erste Etappe per Auto nach le
Tour mit Werner Hellermann (in Bergsportkreisen unter Heli bekannt),
Werner Wolters, Jürgen Seiger und Matthias Mündelein verging im „Fluge“.
Hier trafen wir Sebastian und Günter Südbeck und besichtigten gemeinsam
Chamonix im Sonnenschein.
Da
wir noch viel vorhatten brachte uns am nächsten Tag die Seilbahn nach
oben. Oben mussten wir als erstes unser Regenzeug überziehen. Heli sagt
zum ersten Mal: „ Ich habe Urlaub und es ist Sommer.“ Am Rande des
Gletschers ging es entlang zum vollbelegten Rif. Albert Premier auf etwa
2700m.
4.00 Uhr aufstehen, 5.00 Uhr Stirnlampe an und los!
Leichter Nieselregen. Matthias und Heli schnallen erstmalig die
Steigeisen an und werden von Sebastian fachkundig angeseilt. Die Sicht
wird immer schlechter. Die Eiskristalle prasseln auf die Kapuze. Wir
steigen hoch bis auf den Tete Blanche auf 3400m, zuletzt über
blankgefegtes Eis. Trotz der Handschuhe habe ich eiskalte Finger. Sicht
gleich Null. Heli nimmt es gelassen:
„Ich habe Urlaub und es ist Sommer.“
Im
Cabane de Trient tauen wir beim Kampf um die besten Plätze am Kaminofen
wieder auf. Den 1. August, Nationalfeiertag der Schweiz dürfen wir in
der Cabane de Orny mitfeiern. Ob es am 1. August immer ein Lagerfeuer
und Glühwein gibt, konnten wir nicht herausfinden, aber nur so war das
vom Hüttenwirt abgebrannte Feuerwerk zu bewundern.
Beim Abstieg
nach Champex du Lac, lockt uns die Sonne ins Schwimmbad. Während wir uns
zum Kindertarif eine Stunde im Wasser aalen, trockneten auf der
Liegewiese unsere Klamotten. Der Blick vom Wasser aus auf die
schneebedeckten Eisriesen ist überwältigend. Per Bus geht es nach Liddes
ins Touristenlager.
Beim Aufwachen ist außer Regen und
tiefhängenden Wolken nichts zu sehen. Die Morgennachrichten bringen eine
Überraschung: Jürgen verkündet, dass er die Wanderung beendet und per
Bahn zurück nach Ms. fährt. Vorher treten seine alten Steigeisen den
letzten Gang an und wandern in den Mülleimer.
Die
verbleibenden fünf traben durch den Regen aufwärts zum Colle de Mille.
Nach kurzer Zeit bringt uns erst die Anstrengung und dann die Sonne zum
Schwitzen. Aber kurz vor der Hütte am Colle werden wir immer schneller,
denn es beginnt zu schneien. Nach leckerem Essen am warmen Ofen geht es
durch leichtes Schneetreiben vorbei an alten, stielecht restaurierten
Hirtenhütten aus Stein, zur Cabane d`Brunet. Hier schmeißt Heli erst mal
eine Runde Bier nach dem Motto: „Ich habe Urlaub und es ist Sommer.“
Wir
steigen ab nach Loutier und legen einen Schlechtwettertag ein. Loutier
hat den Charakter eines Museumsdorfes mit uralten Holzhäusern. Als
highlight seilt uns Sebastian von einer Brücke ab.
Nach
gutem Frühstück erleben wir eine beeindruckende Busfahrt nach Mouvision
unterhalb eines Stausees. Der Fahrer ist ein Virtuose am Lenkrad.
Wir
wandern hoch zur Cabane de Charion. Unterwegs freuen wir uns über jedes
noch so kleine Sonnenloch. Die Schneefallgrenze liegt bei 2300m. Nur
einige Murmeltiere schauen uns verständnislos zu, um sich dann wieder in
ihren warmen Bau zu verkriechen.
Der Wetterbericht von Sebastian am nächsten Morgen um 3.15 Uhr besteht nur aus einem Wort: “Weiterschlafen“. Um 7.00
Uhr ist es etwas heller und wir entschließen uns zur Gletschertour. Ab
und zu kommt mal die Sonne hervor und lässt auf Wetterbesserung hoffen,
aber leider ist ab ca. 2.700m der Nebel so dicht, dass man den
Vordermann nur noch schemenhaft erkennen kann. Angeseilt und mit
Gamaschen ausgerüstet stapfen wir durch 30-50cm Neuschnee hoch zur
Cabane de Vignettes auf 3150m. Sebastian führt uns sicher, nur an
wenigen Orientierungspunkten vorbei mit Hilfe des Höhenmessers und der
Karte durch diese Waschküche. Alle sind froh als die Treppe zur Hütte
plötzlich vor uns auftaucht. Die Cabane de Vignettes thront wie ein
Adlernest tiefverschneit auf dem Felsen. Wasser gibt es nicht, und zum
Plumpsklo geht es 20m durch den Schnee.
Im frühen Sonnenschein
wagen wir den Aufstieg auf den Pigne d`Arolla. Endlich wird uns ein
toller Blick auf die umliegenden, frisch verschneiten Berge geboten. Es
sieht verlockend aus, aber bei 3400m hüllen uns die Wolken wieder ein.
In umgekehrter Reihenfolge steigen wir in unserer eigenen Spur ab. Wir
erreichen am Nachmittag Arolla und fahren mit dem Taxi an den bekannten
Erdpyramiden vorbei nach le Tour zurück. Die kompl. Haute Route ist
damit abgebrochen. Keiner will jedoch nach Hause und bei der
Lagebesprechung in Sebastians Wohnmobil beschließen wir bei Rotwein noch
zwei Tagestouren oberhalb von Chamonix zu machen. Der Weg führt uns
durch einen wunderschönen Nationalpark zum Refuge du Lac Blanc wo wir
bei strahlendem Sonnenschein sündhaft teuren Kuchen und Kaffee genießen.
Den traumhaften Blick auf den Mont Blanc muss man hier mitbezahlen.
Übernachtet wird in der Hütte direkt an der Seilbahn von Chamonix. Wir
hoffen auf einen tollen Vollmond, aber leider ist auch der
wolkenverhangen.
Wir beenden unsere erlebnisreiche Tour mit einem
gemeinsamen Abendessen und verleihen Sebastian den Titel „L`homme qui
murmure à la montage“ (Der Bergflüsterer).
Danach schmieden wir
Pläne für das nächste Jahr. Sebastian bietet an, den zweiten teil der
Haute Route in 2007 durchzuführen, wenn es sich mit seinen
Examensterminen vereinbaren lässt. Uns bleibt nur der Dank an
Sebastian und die Hoffnung auf das nächste Jahr. Und dann?
„Und dann haben wir alle Urlaub, und es ist Sommer!“
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