Haute Route Teil 1


2006 – Hochtouren

Haute Route Teil 1

von Matthias Mündelein

Die Haute Route verbindet die beiden bedeutenden Bergsteigerorte Chamonix und Zermatt.

Ausgeschrieben, und von Sebastian Südbeck detailliert geplant war die komplette Tour als Sommerroute. Ihm angeschlossen hatten sich 5 hoch motivierte Männer aus der Generation 50 plus.

Die erste Etappe per Auto nach le Tour mit Werner Hellermann (in Bergsportkreisen unter Heli bekannt), Werner Wolters, Jürgen Seiger und Matthias Mündelein verging im „Fluge“. Hier trafen wir Sebastian und Günter Südbeck und besichtigten gemeinsam Chamonix im Sonnenschein.

Da wir noch viel vorhatten brachte uns am nächsten Tag die Seilbahn nach oben. Oben mussten wir als erstes unser Regenzeug überziehen. Heli sagt zum ersten Mal: „ Ich habe Urlaub und es ist Sommer.“ Am Rande des Gletschers ging es entlang zum vollbelegten Rif. Albert Premier auf etwa 2700m.

4.00 Uhr aufstehen, 5.00 Uhr Stirnlampe an und los! Leichter Nieselregen. Matthias und Heli schnallen erstmalig die Steigeisen an und werden von Sebastian fachkundig angeseilt. Die Sicht wird immer schlechter. Die Eiskristalle prasseln auf die Kapuze. Wir steigen hoch bis auf den Tete Blanche auf 3400m, zuletzt über blankgefegtes Eis. Trotz der Handschuhe habe ich eiskalte Finger. Sicht gleich Null. Heli nimmt es gelassen:
„Ich habe Urlaub und es ist Sommer.“

Im Cabane de Trient tauen wir beim Kampf um die besten Plätze am Kaminofen wieder auf. Den 1. August, Nationalfeiertag der Schweiz dürfen wir in der Cabane de Orny mitfeiern. Ob es am 1. August immer ein Lagerfeuer und Glühwein gibt, konnten wir nicht herausfinden, aber nur so war das vom Hüttenwirt abgebrannte Feuerwerk zu bewundern.

Beim Abstieg nach Champex du Lac, lockt uns die Sonne ins Schwimmbad. Während wir uns zum Kindertarif eine Stunde im Wasser aalen, trockneten auf der Liegewiese unsere Klamotten. Der Blick vom Wasser aus auf die schneebedeckten Eisriesen ist überwältigend. Per Bus geht es nach Liddes ins Touristenlager.

Beim Aufwachen ist außer Regen und tiefhängenden Wolken nichts zu sehen. Die Morgennachrichten bringen eine Überraschung: Jürgen verkündet, dass er die Wanderung beendet und per Bahn zurück nach Ms. fährt. Vorher treten seine alten Steigeisen den letzten Gang an und wandern in den Mülleimer.

Die verbleibenden fünf traben durch den Regen aufwärts zum Colle de Mille. Nach kurzer Zeit bringt uns erst die Anstrengung und dann die Sonne zum Schwitzen. Aber kurz vor der Hütte am Colle werden wir immer schneller, denn es beginnt zu schneien. Nach leckerem Essen am warmen Ofen geht es durch leichtes Schneetreiben vorbei an alten, stielecht restaurierten Hirtenhütten aus Stein, zur Cabane d`Brunet. Hier schmeißt Heli erst mal eine Runde Bier nach dem Motto: „Ich habe Urlaub und es ist Sommer.“

Wir steigen ab nach Loutier und legen einen Schlechtwettertag ein. Loutier hat den Charakter eines Museumsdorfes mit uralten Holzhäusern. Als highlight seilt uns Sebastian von einer Brücke ab.

Nach gutem Frühstück erleben wir eine beeindruckende Busfahrt nach Mouvision unterhalb eines Stausees. Der Fahrer ist ein Virtuose am Lenkrad.

Wir wandern hoch zur Cabane de Charion. Unterwegs freuen wir uns über jedes noch so kleine Sonnenloch. Die Schneefallgrenze liegt bei 2300m. Nur einige Murmeltiere schauen uns verständnislos zu, um sich dann wieder in ihren warmen Bau zu verkriechen.

Der Wetterbericht von Sebastian am nächsten Morgen um 3.15 Uhr besteht nur aus einem Wort: “Weiterschlafen“. Um 7.00 Uhr ist es etwas heller und wir entschließen uns zur Gletschertour. Ab und zu kommt mal die Sonne hervor und lässt auf Wetterbesserung hoffen, aber leider ist ab ca. 2.700m der Nebel so dicht, dass man den Vordermann nur noch schemenhaft erkennen kann. Angeseilt und mit Gamaschen ausgerüstet stapfen wir durch 30-50cm Neuschnee hoch zur Cabane de Vignettes auf 3150m. Sebastian führt uns sicher, nur an wenigen Orientierungspunkten vorbei mit Hilfe des Höhenmessers und der Karte durch diese Waschküche. Alle sind froh als die Treppe zur Hütte plötzlich vor uns auftaucht. Die Cabane de Vignettes thront wie ein Adlernest tiefverschneit auf dem Felsen. Wasser gibt es nicht, und zum Plumpsklo geht es 20m durch den Schnee.

Im frühen Sonnenschein wagen wir den Aufstieg auf den Pigne d`Arolla. Endlich wird uns ein toller Blick auf die umliegenden, frisch verschneiten Berge geboten. Es sieht verlockend aus, aber bei 3400m hüllen uns die Wolken wieder ein. In umgekehrter Reihenfolge steigen wir in unserer eigenen Spur ab. Wir erreichen am Nachmittag Arolla und fahren mit dem Taxi an den bekannten Erdpyramiden vorbei nach le Tour zurück. Die kompl. Haute Route ist damit abgebrochen. Keiner will jedoch nach Hause und bei der Lagebesprechung in Sebastians Wohnmobil beschließen wir bei Rotwein noch zwei Tagestouren oberhalb von Chamonix zu machen. Der Weg führt uns durch einen wunderschönen Nationalpark zum Refuge du Lac Blanc wo wir bei strahlendem Sonnenschein sündhaft teuren Kuchen und Kaffee genießen. Den traumhaften Blick auf den Mont Blanc muss man hier mitbezahlen. Übernachtet wird in der Hütte direkt an der Seilbahn von Chamonix. Wir hoffen auf einen tollen Vollmond, aber leider ist auch der wolkenverhangen.

Wir beenden unsere erlebnisreiche Tour mit einem gemeinsamen Abendessen und verleihen Sebastian den Titel „L`homme qui murmure à la montage“ (Der Bergflüsterer).

Danach schmieden wir Pläne für das nächste Jahr. Sebastian bietet an, den zweiten teil der Haute Route in 2007 durchzuführen, wenn es sich mit seinen Examensterminen vereinbaren lässt. Uns bleibt nur der Dank an Sebastian und die Hoffnung auf das nächste Jahr. Und dann?
„Und dann haben wir alle Urlaub, und es ist Sommer!“


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