Aufbaukurs Hochtouren vom 26.06.- 02.07.2011


2011 – Ausbildung

Aufbaukurs Hochtouren vom 26.06.- 02.07.2011

Sebastian Südbeck bot im letzten Sommer vom 26.06.-02.07.2011  einen Aufbaukurs Hochtouren für angehende Bergsteiger an, die zuvor die Grundausbildung (1x1 des Alpinismus) abgeschlossen hatten und die erworbenen Fähigkeiten in der Wildnis erproben wollten.  Die Tour begann mit einem Vortreffen im noch sehr überschaubaren Münsterland, an dem wir beschlossen ins Wallis in die Region des Grand Combin zu fahren.

Am 26.06. machten wir,  Rudi Hiller, Friedrich Kappelhoff, Raphael Heming und Claudia Schernewski, uns dann früh morgens auf den Weg, um in Lourtier auf Sebastian zu treffen. Am selben Tag stiegen wir noch zur Cabane Brunet auf, um dann am Folgetag weiter zur Cabane FXB-Panossiere zu wandern, welche direkt am Glacier de Corbassière liegt.

Claudia über den ersten Hochtourentag: „Am 28.6. ging es dann um 5h los auf den Gletscher! Ziel des heutigen Tages war der Combin de Corbassière (3715,5m)! Da Sebastian uns von Anfang an die Führung der Seilschaft überließ, hatten wir viel Zeit und Gelegenheit unsere Bergsteigerfähigkeiten auf den Prüfstand zu stellen! Dieses bedeutete viel Spaß und neue Erfahrungen, allerdings auch, dass wir ungefähr doppelt so lange wie der „normale“ Bergsteiger benötigten, um an unser Ziel zu kommen: um 12h erreichten wir schließlich den Gipfel und genossen völlig erschlagen aber total glücklich die super Aussicht! Zu dieser späten Bergstunde war der Rückweg dann aufgrund des weichen Schnees allerdings sehr beschwerlich und Sebastian musste uns nicht nur einmal darauf hinweisen, dass jetzt Tempo angesagt ist!“

Raphael über den zweiten Bergtag: „Das dezent kühle und doch gleichzeitig penetrant die Nachtruhe beendende Piepen der Armbanduhr bestätigt die Ahnung des bevorstehenden frühzeitigen Aufbruchs. Kurz darauf glimmt die erste Stirnlampe auf, Bewegungen der anderen werden vernehmbar – die Gewissheit setzt sich durch, dass die Nacht vorbei ist. Rudi, Friedrich, Sebastian und ich lugen unter den Decken hervor, schälen uns aus den Hüttenschlafsäcken und schauen zu Claudia hin, die keine Anstalten macht es uns gleich zu tun, sondern der Schlafstätte die Treue hält. Sie hat sich bereits am Abend zuvor entschieden, uns am heutigen Mittwoch nicht zu begleiten, sondern sich und ihren Fersen einen Tag Ruhe zu gönnen. Ihre Hacke ziert eine großflächige, derb dreinschauende und offene Blase. Äußerst schmerzhaft, schon allein beim Hinschauen. Wir verbleibenden vier verabschieden uns von Claudia und brechen auf.
Unser heutiges Ziel ist P 3402, Ausgangspunkt für eine Besteigung des Combin de Corbassière (3715,5m) über den Südgrat. Aber für uns steht heute nicht der Gipfel im Vordergrund. Sebastian möchte uns arbeiten lassen, möchte, dass wir unterschiedliches Gelände kennenlernen, unsere Wege finden und unsere Entscheidungen treffen.
Während wir den Glacier de Corbassière von der Cabane FXB.Panossière gen Südosten queren, trifft Friedrich seine Entscheidung für den Tag: er dreht um. Sein Knie bereitet ihm zu starke Schmerzen. Wir alle hatten gehofft, dass der gestrige Sturz harmlos war, die Gelenkschmerzen nach einer Nacht der Geschichte angehören würden. Leider lagen wir falsch.
Nachdem Friedrich uns versichert hat, dass er den noch kurzen Rückweg zur Hütte alleine bewältigen kann, laufen Rudi, Sebastian und ich weiter. Kurz vor dem Gletscherbruch legen wir die Steigeisen an, kurz darauf binden wir uns ins Seil ein. Südlich des Punktes 3065 steigen wir eine steilere Schneerampe empor. Sebastian steigt vor, erklärt uns das Prinzip der gleitenden Sicherung. Der Schnee ist griffig und wir kommen trotz der notwendigen Absicherungen schnell voran. Auf dem Gletscherarm angekommen wenden wir uns nach Norden und passieren P 3065. Es folgt ein kurzes Felsstück und wir finden uns auf einem weiteren Gletscherarm, unterhalb von P 3096.
Nach einer kurzen Pause übernimmt Rudi die Führung und leistet wahrlich Schweres da vorne. Der Schnee ist schon den gesamten Morgen der Sonne ausgesetzt und begrüßt uns weich und klebrig. Fast durchgehend sinken wir bis zu den Knien ein, wobei Rudi die Spurarbeit leistet. Leicht abgekämpft, aber glücklich erreichen wir im Vormittag P 3402. Wir genießen den Ausblick auf Grand Combin im Süden und Tournelon Blanc im Osten.
Im Nordosten türmen sich Wolken auf und erinnern uns daran, dass am späten Nachmittag mitunter mit Gewittern zu rechnen ist. Wir machen uns auf und steigen über das Schotterfeld neben dem viel zu steilen Schneecouloir ab. Unten angekommen geht es süd-östlich zurück auf den Gletscherarm, auf den wir morgens über die Schneerampe gelangt sind.
Der Weg ist demnach bekannt und damit wenig spannend und außerdem hatten wir ja mit Sebastian abgestimmt, dass wir unterschiedliches Gelände und das richtige Verhalten kennenlernen möchten. Also müssen wir eine andere Abstiegsroute finden. Einer anfangs durchaus einladenden Schneesenke erteilen wir eine Absage, da gurgelndes, austretendes Wasser ein Stück weiter auf eine Unterspülung hindeutet. Letztlich folgen wir dem Wasserlauf in felsigem Gelände, queren einzelne Schneefelder und erreichen den Glacier de Corbassière wieder.
Der Weg zurück zum Anseilpunkt verläuft quer durch spannendes Spaltengebiet und mehr als einmal vertrauen wir uns einzelnen Schneebrücken an, wodurch wir unglaubliche Einsicht in wunderschöne, faszinierende, aber durchaus auch beängstigende Spalten haben. Ich jedenfalls bin froh am gestrafften Seil zu sein und Rudi und Sebastian als Seilschaftspartner hinter mir zu wissen.
Am frühen Nachmittag legen wir Seil und Steigeisen ab und laufen gradlinig auf die Hütte zu, die zwischenzeitlich schon von Wolken verhüllt wird. Wir freuen uns auf Claudia und Friedrich, auf den selbstgebackenen Kuchen des Hüttenwirts und darüber, dass wir an diesem Tag ein weiteres Mal viele Erfahrungen sammeln konnten, ein Stück alpensicherer geworden sind und Sebastian uns das Vertrauen entgegengebracht hat, diese Entwicklung machen zu dürfen.“

Da für den nächsten Tag ein Gewitter angekündigt war, beschlossen wir, den Tag für einen Gebietswechsel zu nutzen und landeten nach kurzer Fahrt und einem schönen Anstieg bei der Cabane de Chanrion. Friedrich mussten wir leider im Dorf lassen, da sein Knie sich weigerte, weitere Berge zu besteigen. Am nächsten Tag wollten wir von der Cabane de Chanrion aus auf den Glacier d´Otemma.

Rudi über den nächsten Tourentag: „Nach einem anstrengenden Aufstieg von der Cabane de Chanrion über Gletscher und Seitenmoränen – ich sollte übrigens Recht behalten mit meiner Berechnung der Gehzeit von mehr als 6 Stunden nach Volker´s Formel und nicht 3 ½ Stunden, wie der Bergführer es angab und Sebastian uns anspornte – standen wir nun vor dem Berg L‘Aiguillette. „Was“ dachte ich, „in so einem kleinen Blechverschlag  ähnlich einer Hundehütte und halb auf Stelzen, sollen wir sicher übernachten?“ „Hoffentlich haben wir wenigstens Empfang!“
Doch als wir näher kamen und die Tür und Fensterläden aufgemacht wurden, staunte ich nicht schlecht: In 3179 m Höhe fanden wir eine urgemütliche, innen ganz mit Holz verkleidete  und komplett eingerichtete Hütte vor.
Schnell noch im Rucksack Eis und Schnee vom Gletscher hochgeholt und im Gaskocher aufgeschmolzen und wir wärmten uns auf mit heißem Tee und Kaffee mit „Milchmädchen“ und genossen die gute Aussicht. Über und unter zwei warmen Wolldecken habe ich nachts dem Himmel so nahe wie nie sehr tief geschlafen. Nur Sebastian wurde vom Schatten eines „Ungeheuers“ geweckt, das sich bei näherem Hinhauen als kleine nervige Spinne entlarvte, die die Wärme suchte. Empfang: Wieder mal Fehlanzeige!“.

Claudia über den letzten Bergtag: „Nach tiefem Schlaf in der Biwakschachtel (der nicht zuletzt dem Likörchen zu verdanken war, den Rudi in der Hütte gefunden hatte) ging es um 5h morgens noch vor Sonnenaufgang weiter zum Becque Labie (3463). Der Aufstieg war wieder sehr abwechslungsreich. Zunächst war im Sonnenaufgang der Glacier de l´Aiguilette zu überqueren und dann ging es durchgepustet über Fels und Geröll hoch zum Gipfel! Oben wurden wir dann wie gewohnt mit einer tollen Aussicht belohnt, bei der man alle vorangegangenen Mühen und Wehwehchen vergaß! Am Abend kehrten wir erschöpft und glücklich zurück in die Cabane de Chanrion, um dort die letzte Nacht in den Bergen zu verbringen!“

Wir waren uns am Ende einig, dass es eine super Tour und vor allem Sebastian uns ein toller Lehrer war, der es immer geschafft hat, das richtige Maß zwischen Herausforderung und Sicherheit für uns zu finden! Für uns alle wird es mit Sicherheit nicht der letzte Bergurlaub gewesen sein!

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